Freitag, 26. April 2024
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Finanzielle Notlage: Neuwieder Tierheim ruft erneut um Hilfe

Es ist der zweite große Hilferuf binnen eines Jahres – der Vorstand des Tierschutzvereins Neuwied und Umgebung fordert mehr Geld für das Tierheim. Bereits im Juni vergangenen Jahres wies er auf die prekäre Finanzsituation hin. „Jetzt sind wir bei Stufe 2, die Probleme werden drängender“, sagt der Erste Vorsitzende Jürgen Brüggemann.

 

Rund 600 Tiere aus dem gesamten Kreis werden in der Einrichtung in Segendorf nach seinen Angaben jährlich versorgt. Die Städte und Gemeinden in Deutschland sind gesetzlich verpflichtet, sich um Fundtiere zu kümmern und schließen dafür in der Regel Verträge mit Tierheimen ab. Derzeit werden rund 120 Tiere in Segendorf versorgt. Erst kürzlich gab es wieder eine Sicherstellung mit ganz vielen Hasen und Vögeln, berichtet Brüggemann. Diese Fälle, wenn jemand sehr viele Tiere hat und so schlecht versorgt und behandelt, dass die Behörden sie beschlagnahmen, haben nach seinen Angaben deutlich zugenommen. „Das ist ein Grund, warum wir die Finanzproblematik haben.“

Die Kosten betragen nach seinen Angaben rund 320.000 Euro pro Jahr – die gleiche Summe gibt auch das Andernacher Tierheim für sich an. Derzeit erhalte die Neuwieder Einrichtung 35.000 Euro von der Stadt und 15.000 Euro vom Kreis. „Es fehlen 100.000 Euro pro Jahr an Zuschüssen“, so Brüggemann. Bisher habe der Verein diese Lücke mit zwei „extrem großen“ und mehreren kleinen Erbschaften gefüllt, das Geld sei jetzt aufgebraucht. Bereits im Jahr 2009 stand das Tierheim kurz vor der Insolvenz. „Wir sind derzeit mit 150.000 Euro in der Kreide“, sagt der Vorsitzende, der diese Position im Jahr 2010 übernommen hat. Ob der Kreditrahmen noch erhöht werden kann, weiß er nicht. Rund 60.000 Euro sind laut ihm auf dem Konto.

Kosten pro Tier sind schwer auszuweisen

Die Stadt hat ihren Zuschuss im Jahr 2016 von 26.000 Euro auf 35.000 Euro erhöht, sagt Stadtsprecher Erhard Jung. Für das vergangene Jahr gab es ein neues Finanzierungsmodell. 35.000 Euro wurden in zwei Raten überwiesen. Zudem soll das Tierheim eine Einzelabrechnung für die Vierbeiner aus der Stadt machen. „Bei Bedarf würden wir dann nachzahlen“, so Jung. Brüggemann erklärt, dass das nicht so einfach und mit hohem Aufwand verbunden ist, die Kosten pro Tier auszuweisen.

Den größten Anteil der Tierheimkosten macht nach seinen Angaben mit 180.000 Euro das Personal aus. „Das ist ein Wirtschaftsbetrieb mit zwölf Angestellten“, erläutert Brüggemann. Die Tiere müssen jeden Tag versorgt werden, allein dafür werden laut des Vorsitzenden drei Mitarbeiter für die Hunde und zwei für die Katzen und das Kleintierhaus benötigt. Der Verein habe immer weniger Ehrenamtliche, die sich bereit erklären, feste Aufgaben zu übernehmen. „Wir suchen schon lange einen Rentner, der mit unserem Auto dreimal die Woche Besorgungen macht und zum Tierarzt fährt und finden niemanden.“ Der zweithöchste Ausgabenpunkt sind nach Angaben des Vorsitzenden mit 50.000 bis 60.000 Euro pro Jahr die Tierarztkosten, danach kommen die Betriebskosten.

Weniger Einnahmen durch Spenden

Auf der Einnahmenseite sinken laut Brüggemann auch die Spendeneinnahmen. Die drohende Insolvenz sorge auch dafür, dass Stiftungen bei Zuwendungen vorsichtig werden und der Verein auch seltener mit Erbschaften bedacht werde. Nicht hilfreich bei der Debatte dürfte auch die aufgeheizte Diskussion in den sozialen Medien über das Vereinshandeln sein. Einige „Hetzer“, so Brüggemann, hat der Vorstand aus dem Verein geschmissen. „Keiner von denen hat je das Gespräch mit uns gesucht.“ Er fordert von Stadt, Kreis und Verbandsgemeinden eine dauerhafte Lösung für die Finanzen.

Stadt und Kreis reagieren auf RZ-Anfrage verhalten. „Die Finanzierungslücke von 100.000 Euro nehmen wir zur Kenntnis, können die aber nicht überprüfen“, sagt Stadtsprecher Jung. Er zeigt sich aber diskussionsbereit: „Wenn jemand das Gespräch sucht, verwehren wir ihm das nicht.“ Ähnliches kommt vom Kreis: „Wenn der Vorstand des Tierheims uns die Zahlen offenlegt, wir dies prüfen können, werden wir in weitere Diskussionen eintreten“, so Doris Eyl-Müller.

Foto im Tierheim
Foto im Tierheim ©Jörg Niebergall, RZ

Quelle: Rhein-Zeitung Neuwied